Wie verrückt klingt das denn: Ursächlich für das langsame Absterben der irdischen Biosphäre werden drastische Veränderungen der CO2-Konzentration sein – aber nicht weil es zuviel, sondern weil es irgendwann zuwenig Kohlendioxid in der Erdatmosphäre geben wird. So lautet jedenfalls das Fazit einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) aus dem Jahr 2006, die heute – und vielleicht gerade heute – immer noch äußerst spannend zu lesen ist. Titel der damaligen Veröffentlichung: „Causes and Timing of Future Biosphere Ectinctions“ (Link zur Studie auf biogeosciences.net, PDF, 714KB).
Das Forscherteam betrachtet die zukünftige Entwicklung der Kohlendioxid-Konzentration und den damit zusammenhängenden Klimawandel in einem sehr, sehr großen zeitlichen Maßstab. Hier geht es nicht wie in der traditionellen Klimaforschung um Jahrzehnte oder Jahrhunderte, sondern um Trends in kosmologischen Zeiträumen von mehreren Milliarden Jahren (Gigajahre).
Das zugrunde liegende, relativ schlichte Klimamodell des PIK berücksichtigt einerseits die bereits in anderen Studien belegte tendenzielle Zunahme der solaren Einstrahlung auf die Erde (Beispiel: Studie der NASA, 2003) sowie die Effekte der Treibhausgase CO2 und H2O (Wasserdampf). Untersucht werden dabei die Wirkungen der langfristigen klimatischen Veränderungen auf Prokaryoten (Bakterien usw.), Eukaryoten bzw. komplexe mehrzellige Lebensformen – wie eben auch den Menschen.
Entscheidend ist zunächst vor allem die erwartete Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur auf ein Level, das mehrzelliges Leben und in der nächsten Phase die Existenz von Eukaryoten generell unmöglich macht. Dieser Zeitpunkt wird auf 800 Millionen bis 1,3 Milliarden Jahre in der Zukunft veranschlagt. Richtig originell wird es danach: Die weniger temperatursensiblen Prokaryoten sterben nicht aus aufgrund der Hitze, sondern aufgrund der fallenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die keine Photosynthese mehr zulässt. Werfen wir mal einen Blick auf das in der Studie enthaltene Diagramm:
Zunächst zur schwarzen Linie – der Kohlendioxidkonzentration: Wie man sieht, ist der CO2-Level bereits seit Entstehen der ersten Lebensformen auf der Erde drastisch und teils abrupt gefallen – und ein weiterer Negativtrend in den kommenden 1,5 Milliarden Jahren gilt laut Wissenschaft als vorprogrammiert. Die farbigen Flächen zeigen, welche Organismen bei welcher Konzentration des Treibhausgases existieren können.
Initiiert und verstärkt wird die sinkende CO2-Konzentration laut Forschern vor allem durch Verwitterungseffekte, die ein Eingehen von CO2 aus der Atmosphäre in die Erdkruste bewirken. Ein natürlicher Vorgang, der erstens durch die zunehmende Sonnenaktivität intensiviert wird – zweitens aber auch durch die von PIK-Forschern wie von Bloh in früheren Studien vorhergesagte Zunahme der Gesamtkontinentalfläche (Link) in den kommenden 1 Milliarde Jahren. Bei den Prokaryoten wäre im Ergebnis in ca. 1,6 Milliarden Jahren Schluss.
So sieht also Klimawandel in kosmischen Zeiträumen aus. Die Zielsetzung an ein „nachhaltiges“ Geoengineering müsste vielleicht umdefiniert werden: Den CO2-Level innerhalb des terrestrial life corridors zu halten – nicht darüber, aber eben auch nicht darunter.
-MR