BBoBB Teil 2: Quasare im Gleichschritt? Kosmische Anomalien in der „Large Quasar Group“ (LQG)

Spannend sind an der modernen Kosmologie ja vor allem die Phänomene, die nicht so richtig zum sogenannten Kosmologischen Prinzip passen wollen – also zum klassischen Dogma, das Universum sei über größere Entfernungen betrachtet mehr oder weniger gleichförmig (Fachbegriff: isotrop) und weitgehend strukturlos. Für Zweifel am langweilig-homogenen Weltall sorgen seit einiger Zeit zum Beispiel Studien zu den merkwürdigen Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung (CMBR), über die wir auf diesem Blog ja vor einiger Zeit ein kleines Posting veröffentlicht hatten.

Heute aber geht es um das Thema Quasare – und warum diese für das oben genannte Prinzip eine weitere Herausforderung darstellen. Bei diesen sternähnlichen Objekten – das Akronym leitet sich ab von Quasi-Stellar Radio Sources – handelt es sich der Theorie nach um weit entfernte supermassive Schwarze Löcher im Mittelpunkt von Galaxien, die aus ihrer Umgebung in größerem Umfang Materie absorbieren und einen Teil davon mit extrem hoher Geschwindigkeit in zwei diametralen sogenannten Jets wieder ausstoßen. Die den Quasar wie in einem Orbit umkreisende Staub- und Gasmasse bildet hierbei eine sogenannte Akkretionsscheibe, die rechtwinklig zur Achse der beiden Jets steht und in ihrem Inneren durch Reibungen innerhalb der Gaswolke extreme Temperaturen entwickelt. Das Ergebnis ist eine heftige thermische Strahlung, die noch auf der Erde mittels Teleskopen messbar ist. Diese Strahlung ist bei einigen der Quasare nachweisbar polarisiert, hat also eine eindeutige Schwingachse. Falls es jemand genauer wissen will: Die wissenschaftlichen Grundlagen hierzu vermittelt ein sehr guter, längerer Artikel auf spektrum.de.

Die für uns an dieser Stelle interessanten Erkenntnisse zu Quasaren und deren Bedeutung im kosmischen Gesamtgefüge lieferte in vielen Teilen bereits 1997/1998 eine Studie von D. Hutsemékers plus Kollegen von der Universität Liège (Link zur Studie). Für ihre Untersuchung werteten die Physiker Daten zu einem Sample von 170 Quasaren aus, deren Polarisierung bereits zuvor festgestellt und gemessen worden war.

Die zentralen Ergebnisse der ersten Hutsemékers-Studie aus den Neunzigern lauten kompakt zusammengefasst ungefähr so:

  • Die Polarisationsvektoren der Strahlung der untersuchten Quasare ergeben nicht wie erwartet eine mehr oder weniger zufällige Verteilung; vielmehr scheinen die Vektoren der Quasare aus dem Sample ähnlich bzw. aufeinander ausgerichtet zu sein. Da diese Polarisationsachsen typischerweise entweder im rechten Winkel oder parallel zur Drehachse der Akkretionsscheiben stehen, ist es nahe liegend, auch von einer statistisch eigentlich unwahrscheinlichen Ausrichtung dieser Drehachsen, damit also der Quasare selbst, aufeinander auszugehen.
  • Diese relative Gleichausrichtung der Achsen tritt auch über extreme Entfernungen von bis zu 1.000 Megaparsec auf – also bis zu einer Distanz von 3,2 Milliarden Lichtjahren (im Bereich einer Rotverschiebung von z ≃ 1-2).
  • Der Effekt ist vor allem innerhalb von Gruppen aus 10-20 Quasaren nachweisbar.
  • Eine Kontamination der Daten durch Messabweichungen oder interstellare Polarisationen innerhalb der Galaxie kann die beobachteten Effekte nicht erklären.
  • Sofern die Quasare tatsächlich direkt aufeinander ausgerichtet sind, müssen die Ursachen hierfür vermutlich in der Frühphase der Entstehung des Universums gesucht werden; Originalzitat: „suggesting a primordial origin.“

Weiterführende Erkenntnisse lieferte das Team aus Liège dann 2014; Schwerpunkt der neueren Untersuchung (PDF-Download, 244 KB) ist die Orientierung der Quasare innerhalb der sogenannten large-scale structures (LSS). Dies sind die großräumigen filament- und knotenartigen Materieverteilungen im bekannten Universum. Einen guten Eindruck von den LSS und der Lage der Quasare vermittelt diese Darstellung, veröffentlicht vom European Southern Observatory:

Quasare - ausgerichtet am kosmischen Gewebe?
Copyright: ESO/M. Kornmesser (https://www.eso.org/public/germany/images/eso1438a/)

Für die neue Studie kam unter anderem das „Very Large Telescope“ des ESO in Chile zum Einsatz. Das Sample besteht diesmal aus 19 stark polarisierten Quasaren aus der „Large Quasar Group“ (LQG). Die Befunde im Überblick:

  • Die Polarisationsvektoren der Quasare korrelieren erkennbar miteinander, auch über Entfernungen von mehr als 500 Megaparsec – was die Schlussfolgerungen aus 1997/1998 weitgehend bestätigt.
  • Die zweite auffällige Korrelation betrifft die Ausrichtung der Rotationsachsen der Quasare zu den Achsen der kosmischen Großraumstrukturen (LSS); hier gehen die Forscher davon aus, dass jene mehr oder weniger parallel zu den Achsen der umgebenden Strukturen orientiert sind (oben im Bild exemplarisch dargestellt).
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass die beobachtete Konstellation der Achsen sich zufällig eingestellt hat, liegt der Untersuchung zufolge bei ungefähr 1%; betrachtet man jeweils gruppenweise die 10 nächsten Quasare, liegt die Wahrscheinlichkeit bei unter 0,1%.
  • Die Korrelation der Objekte über diese großen Entfernungen impliziert eine „serious anomaly for the cosmological principle“.

Was hat das alles zu bedeuten? Eine Mitabhängigkeit der Rotationsachse einer Galaxie von lokalen LSS-Achsen hatten Wissenschaftler immerhin bereits in früheren Untersuchungen festgestellt (Details in den „Conclusions und Final Remarks“ in der 2014er-Studie), auch wenn der kausale Zusammenhang hier offenbar etwas komplizierter und nicht gänzlich geklärt zu sein scheint („not straightforward“, wie die Forscher es formulieren).

Komplett unklar aber ist vor allem, warum die Rotationsachsen und damit die Lagen einzelner Quasare über Milliarden Lichtjahre Entfernung aufeinander ausgerichtet sein sollten. Die Gründe für dieses Phänomen sind ggf. in den „Startbedingungen“ des Universums zu suchen, oder jedenfalls in der Frühzeit nach dem „Big Bang“.

Richtig spannend dürfte die Sache werden, falls sich tatsächlich belegen lässt, dass die Effekte der gleichmäßigen Ausrichtung der Drehachsen bzw. Polarisationsverktoren wie von Hutsemékers analysiert, mit den Hauptachsen korrelieren, die sich aus den Daten der CMBR-Karte ergeben (siehe: Zhao/Santos, Preferred Axis in Cosmology, 2016, Seite 16, PDF-Download, 738 KB).

-MR

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